Dienstag, 29. Dezember 2009

Hilgensee - Renata Petry

Kurzbeschreibung:
Kreuzgang, Kekse, Kapriolen 1904. In Hilgensee, einem Stift für adlige protestantische Damen, geschehen merkwürdige Dinge: ein ungeklärter Todesfall, ein geköpfter Hahn in einem Baum, eine erdrosselte Stiftsdame - welch ein Skandal! Der selbstredend schleunigst vertuscht werden soll. Aber die drei Stiftsfräulein Änne, Alwine und Gertrud (gänzlich unterschiedlich in Temperament und Alter) forschen in alten Chroniken nach und kommen einem unschönen, uralten Ritual auf die Spur. Glücklicherweise lässt sich zur Regeneration immer ein entspannendes Teestündchen oder eine abendliche Sherryrunde einschieben, damit der Belastungen für die zarte Konstitution nicht zu viele werden. Doch schließlich wird es brenzlig für die Detektivinnen.

Inhalt:
Nach einer unglücklichen Liebe tritt Änne von Schalk in Hilgensee ein, einem Damenstift für adelige Fräulein - Austritt nur durch Heirat oder Tod. Etwas verunsichert und auch schüchtern begegnet sie ihren Stiftsschwestern - einer Gemeinschaft äußerst sonderbarer, verschrobener Wesen, eine absonderlicher als die andere. Da haben wir Cornelie, eine verkannte Dichterin (mit einer tiefgründigen Liebe zu Fontane ;-)), die forsche und pfiffige Gertrud von Roda (aus einer Familie von Schnapsbrauern ;-) ) und viele mehr. Alwine von Hohenhagen, die Vikarin, nimmt Änne unter ihre Fuchteln und führt sie im Hause ein - von Änne gänzlich als unsympathisch betrachtet ist diese nicht begeistert von der augezwungenen Begleitung. Ihre Aufgabe im Stift wird es, wegen fehlender anderer Begabungen, der Bibiothekarin Elsbeth von Hasleben zur Hand zu gehen. Prompt entdeckt sie deren scheinbar langgehegtes Geheinmis, beschließt ihr mit einer List zu helfen - doch die Ereignisse überschlagen sich: Ein Hahn wird geköpft an einem Baum aufgefunden, die Finderin erleidet den Schlag und auch Elsbeth von Hasleben wird tot aufgefunden. Der Justizassesor ist sich sicher: Selbstmord - doch die Schwestern glauben das nicht, und weil Änne sich schuldig am Tod ihrer Mitschwester sieht, beginnt sie mit Getrud und Alwine zu ermitteln... wiederwillig zwar, doch als sie beginnt "Stimmen" zu hören, wie auch die verstorbene Mitschwester, deren Zimmer sie nun bewohnt, beginnt sie doch sich für die Geschehnisse zu interessieren... und die patente Getrud hat da so eine Idee, was in den heiligen Hallen von Hilgensee so vor sich geht...

Meine Meinung:
Das Buch und seine Charaktere vermitteln eine ganz eigene Stimmung - die nämlich der Damenstifte anfang des 20. Jahrhunderts. Unverheiratete Fräuleins, "abgeschoben" in ein Damenstift, sonderbare Persönchen aller Altersstufen und allesamt etwas verschroben. So präsentieren sich hier die Damen des Stiftes - ein Wenig wie Trotzkopf für Erwachsene ;-)

Sprache und Stimmung des Buches sind Zeit und Ort angemessen angepasst - man fühlt sich in eine fremde Zeit (und auch Welt) versetzt, wie es man sich heute gar nicht mehr so wirklich vorstellen kann. Die Personen sind vielschichtig gezeichnet, jede für sich sehr genau ausgeformt und jeweils mit einigen klischees der unverheirateten jener Zeit (so denke ich mir) bestückt - einem Faible für Kartenlesen, Dichtung, schlecht sitzende Frisuren, übermäßige Schüchternheit oder Bissigkeit oder Biederkeit und das Ringen um die wenigen attraktiven Männer, allen voran Arzt, Gutsvorsteher, Kirchenmusikant und weitere. Das Ambiente des ganzen Buches ist stimmig und passend. Der Ton des Buches ist leicht ironisch, die Geschichte in sich logisch, wenn auch teilweise etwas sehr phantasievoll. Das Buch ist ausgeschmückt mit witzigen Details und trotz der etwas gehobenen Umgangsweise und des Sprachtonus liest es sich gut und flüssig. Man meint fast, bei den Damen im Stift zu sein und mit ihnen über Spitzendeckchen und Morgenandacht reden zu können.

Ebenso wie meine Vorrezensenten muss ich sagen, dass eine Personenübersicht dem ganzen wirklich den letzten Pfiff gegeben hätte. All die adligen Namen waren doch recht viel des Guten.

Alles in Allem bekommt das Buch von mir gute 7 von 10 Punkten.

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